Wie bekannt ist, bestehen für Seilbahnunternehmen Absicherungspflichten nicht nur gegenüber ihren (bestehenden) Kunden, sondern im Rahmen der sogenannten „vorvertraglichen“ Verantwortung auch gegenüber Personen, mit denen noch keine Vertragsbeziehung besteht. In einem aktuellen Gerichtsverfahren war zu klären, ob diese Pflichten auch gegenüber dritten Personen oder Unternehmen bestehen.
Sachverhalt
Der Sachverhalt dieses Falles stellt sich so dar, dass ein Busunternehmen (die spätere Klägerin) mit ihren Fahrzeugen die Mitglieder eines Sportvereins zu den Liftanlagen des Seilbahnunternehmens (die spätere Beklagte) transportierte. Die Busse kamen im Bereich der Zufahrt zu den Liftanlagen auf Grund von Straßenglätte ins Rutschen und stießen gegeneinander. Dadurch wurden sie beschädigt und es entstand ein Schaden von über 37.000 Euro. Da eine außergerichtliche Einigung scheiterte, verklagte das Busunternehmen das Seilbahnunternehmen mit der Begründung, dieses sei zur Absicherung des Parkplatzes verpflichtet gewesen. Das Seilbahnunternehmen bestritt die Haftung mit dem Argument, diese Sicherungspflichten würden nur gegenüber ihren (potentiellen und bestehenden) Kunden existieren und nicht auch gegenüber dritten Unternehmen, zu denen keine vertragliche Beziehung besteht (= Busunternehmen).
Gesetzlicher Grundsatz
Allgemein ist bekannt, dass ein Unternehmen gegenüber seinen (bestehenden) Kunden verpflichtet ist, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu setzen. Für Seilbahnunternehmen betrifft dies z. B. den Bereich der Pistensicherung. Eine solche Verantwortung existiert allerdings auch schon dann, wenn zwischen dem (zukünftigen) Kunden und dem Unternehmen noch gar kein Vertrag abgeschlossen wurde. Dies betrifft Fälle, bei welchen der (zukünftige) Kunde das der Seilbahn zuzurechnende Gelände (z. B. Parkplatz) betritt, um in weiterer Folge eine Liftkarte zu kaufen. Gesetzlich wird dies als „vorvertragliche Haftung“ definiert: Ein Unternehmen muss auch Maßnahmen setzen, um (zukünftige) Kunden vor Schäden zu schützen, die sich im unmittelbaren (örtlichen) Nahebereich zu dem geplanten Vertragsabschluss (hier: Kauf der Liftkarte) ereignen könnten. Stürzt daher ein (zukünftiger) Fahrgast auf dem Weg zwischen dem Parkplatz und dem Kassenbereich, so kann eine solche (vor-)vertragliche Haftung des Seilbahnunternehmens eintreten.
Konkret bedeutet dies, dass das Seilbahnunternehmen – im Rahmen des Zumutbaren – Gefahrenquellen beseitigen muss, welche zu einer Gefahr für Personen werden könnten, die gerade beabsichtigen, eine Liftkarte zu kaufen (z. B. Schneeräumung des Parkplatzes, Absicherung vereister Stellen, Warnung vor gefährlichen Stufen im Kassen-Bereich etc.). In der Rechtsprechung war allerdings bis zu dieser Entscheidung noch nicht eindeutig geklärt, ob diese Pflichten auch gegenüber Dritten – wie hier dem Busunternehmen, das ja keinen Vertrag mit der Seilbahn abschließen wollte – bestehen und ob daher in diesem Fall eine solche Haftung eintreten kann.
Entscheidung
Das Gericht entschied diesen Fall dadurch, dass es den Grundsatz heranzog, wonach jeder Vertrag auch Schutzwirkungen auch zugunsten Dritter umfasst: Nach der Rechtsprechung bestehen vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht nur zwischen den Vertragspartnern selbst, sondern auch gegenüber Dritten, die zwar nicht direkt aus dem Vertrag berechtigt sind, aber der vertraglichen Leistung „nahe stehen“. Im vorliegenden Fall sprach das Gericht aus, dass sich die vorvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten des Seilbahnunternehmens dem Sportverein (bzw. dessen Mitgliedern) gegenüber auch auf das Busunternehmen erstrecken. Dies deshalb, da dem Seilbahnunternehmen bekannt ist bzw. bekannt sein musste, dass Sportler nicht nur mit den eigenen PKW anreisen, sondern dass auch eine beträchtliche Anzahl von Kunden Busse benützt. Zu den mit der Hauptleistung (Liftbeförderung, Pistenbenützung) verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten des Seilbahnunternehmens gehört es auch, eine sichere An- und Abfahrt zu den Anlagen zu gewährleisten. Diese Pflicht erstreckt sich gleichermaßen auf Privat-PKW der Kunden und auf Busunternehmen, welche Wintersportler in das Skigebiet transportieren (obwohl diese Unternehmen keinen Vertrag mit dem Seilbahnunternehmen abschließen). Da dem Seilbahnunternehmen bekannt war oder bekannt sein musste, dass Wintersportler nicht nur mit ihren Privat-PKW, sondern auch mit Bussen anreisen, war es auch diesen Busunternehmen (als „Drittem“) gegenüber zur Einhaltung der Absicherungspflichten im Bereich des Parkplatzes verantwortlich.
Das Gericht entschied daher, dass sich auch das Busunternehmen auf die Grundsätze der „vorvertraglichen Haftung“ stützen kann und daher berechtigt war, das Seilbahnunternehmen direkt zu klagen. Da der Parkplatz, auf dem sich der Unfall ereignete, nicht ordnungsgemäß abgesichert war (Vereisung), erkannte das Gericht das Seilbahnunternehmen schuldig, die entstandenen Fahrzeugschäden zur Gänze zu ersetzen.
Christioph Grabler