Wirtschaft

Vom Pfadfinder zum Geocacher

Wie Sie attraktive Erlebnisse für Familien gestalten

In der „guten alten Zeit“ war es scheinbar genug für Kinder, einfach in den Wald oder auf den Berg zu laufen und mit allem, was sie fanden – Steine, Zweige, Tannenzapfen –, ein Erlebnis zu gestalten. Das tun sie heutzutage immer noch, aber das Erlebnis hat eine andere Dynamik bekommen und entsteht unter anderen Grundvoraussetzungen als damals. Einerseits natürlich, weil wir in unserer Gesellschaft immer mehr „Helikoptereltern“ haben, die die Kinder nicht mehr einfach in den Wald laufen lassen; andererseits, weil wir viel mehr Anleitung benötigen. Unsere Kinder verlernen immer mehr, Erlebnisse aus dem „Nichts“ entstehen zu lassen. Das heißt nicht, dass sie weniger kreativ wären als Generationen vor ihnen. Sie sind nur „anders kreativ“. Mehr als in jeder anderen Generation vor ihnen sind Spiele und Geschichten heute größtenteils schon vorgegeben – bedingt durchs Fernsehen, den Spielzeugmarkt und eine große Anzahl von „ähnlichen“ Erlebnissen (Spielplätzen, Spielparks). Kinder sind innerhalb dieser vorgegebenen Spielewelt kreativ.

Abenteuer – jederzeit und überall

Die Pfadfinder von damals haben sich gewandelt, sie sind „Geocacher“ geworden. Auf einer der großen Geocoaching-Webseiten (www.geocaching.com) wird Geocaching als „ein jederzeit und überall in der echten Welt stattfindendes Abenteuer“ beschrieben. Der große Unterschied zu „damals“ ist, dass es hier eine klare Anleitung und ein Ziel mit einer Belohnung gibt. Der Pfadfinder ist in seiner Definition ein „selbstständiger Naturbeobachter“, der Geocacher ein „Abenteuersammler“. In der deutschen Studie „BMWi Zukunftsprojekt Kinder- und Jugendtourismus“ aus dem Jahr 2014 liegt „Natur beobachten“ ganz vorne im Ranking der beliebtesten Urlaubsaktivitäten für Kinder jeden Alters. Das ist bemerkenswert und zeigt, dass „alte Werte“ wieder stark in Kommen sind und der Gegentrend zur fortschreitenden Digitalisierung auch schon bei den Kindern angekommen ist.

Tipps für den Tourismus

Somit ist jetzt der richtige Zeitpunkt für den Tourismus, um zu handeln und Berg- und Naturerlebnisse für Kinder und Familien (noch) attraktiver zu machen. Wichtig dabei ist zu beachten, dass das Erfolgsrezept für Naturerlebnisse moderner Kinder und Familien heutzutage anders als noch vor 20 Jahren gestaltet werden muss. Die wichtigsten Zutaten:

  • Geschichten: Was immer Sie tun, erzählen Sie eine Geschichte. „Damals bei uns im Wald lebten geheimnisvolle Wesen, die viel über die Bäume zu erzählen wussten. Wenn Du genau hinhörst, hörst Du ihre Jahrtausende alten Geschichten vielleicht noch ...“ klingt viel spannender als „Bei uns gibt es eine Obstbaumkultur ...“.
  • Inszenieren Sie Abenteuer: Kinder leben heute in einer komplett durchinszenierten Welt, in der meistens jedes Detail passt. Zur Star-Wars-Serie im Fernsehen gibt es Hörspiele und Bettwäsche, Lego-Männchen und einen Kinofilm. Mit einem Videospiel kann man live in das Erlebnis einsteigen. Passen Sie die Inszenierung Ihrer Geschichte an, und machen Sie die Geschichte erlebbar.
  • Jederzeit: Die Kinder von heute leben in einer „instant world“. Das heißt, alles ist nur einen Knopfdruck entfernt. Lange warten ist out, „instant gratification“ ist in. Schaffen Sie Erlebnisse, von denen man wenigstens Teile immer und sofort erleben kann. Führungen und passende Ergänzungen können ruhig ein bisschen auf sich warten lassen, aber wenn die Familie gerade Zeit hat, dann sollte sie jetzt ein gutes Erlebnis haben und nicht darauf warten müssen.
  • Die echte Welt: Unterschätzen Sie Kinder nicht! Digitale Erlebnisse werden in das Spiel eingebaut und sind natürlich Teil des Spieleverhaltens von Kindern im Jahr 2015. Aber sie sind bei Weitem nicht alles. Kinder und Familien sehnen sich nach „realen“ gemeinsamen Erlebnissen. Trauen Sie sich, „fade Themen“ anzusprechen – für Kinder kann man fast alles spannend und interessant inszenieren, weil sie neugierig und wissbegierig sind. Der kleine Laubfrosch – fantastisch!
  • Anleitung: Bieten Sie unbedingt eine Anleitung an – sowohl für die Eltern, als auch für die Kinder. Eltern sind heute genauso wie ihre Kinder ohne Anleitung größtenteils verloren. Ein tolles Wandererlebnis am Berg – aber bitte mit „Abenteuerkarte“ und der dazugehörigen Geschichte. Machen Sie die Eltern zu Stars: Bieten Sie familiengerechte Informationen, zum Vorlesen mit gemeinsamen Erlebnissen. Gestalten Sie einen Sammel- oder Wissenspass, den Eltern und Kinder gemeinsam ausfüllen können. Gestalten Sie Aufgaben, die gemeinsam gelöst werden müssen.
  • Belohnung: Was tun, wenn der Sammel- oder Wissenspass fertig ausgefüllt ist? Vergessen Sie niemals die Belohnung, mag sie auch noch so klein sein. Wenn eine Aufgabe erfolgreich gemeistert wurde, warten Kinder und Eltern auf ihre Belohnung. Das ist gelernt (Videospiele, Erziehungsmethoden) und macht Spaß.
  • Gestalten Sie alters- und zielgruppengerecht. 5-Jährige wollen ganz andere Erlebnisse als 12-Jährige. Erforschen Sie Ihre Zielgruppe: In welcher Welt leben sie, was ist ihnen wichtig? Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Kinder und Familien (wieder) von fantastischer Berg- und Naturwelt zu begeistern. Mit passend inszenierten Erlebnissen und passenden Geschichten kann das Leitmotiv der „Generation Geocaching“ erfüllt werden, Abenteuersammler zu sein

Ursula Weixlbaumer-Norz

Foto: Beigestellt
Mag. Ursula Weixlbaumer-Norz, Expertin für Kinder- und Familienmarketing kids&funconsulting.
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