Bekanntlich gilt die Straßenverkehrsordnung („StVO“) für Straßen mit öffentlichem Verkehr, das sind für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landflächen. Skipisten sind daher keine „Straßen“ und gelten die Vorrangregeln der StVO für sie grundsätzlich nicht. Streitpunkt des Verfahrens war es nun, ob ein „STOPP“-Schild eine Vorrangssituation schafft und ob deshalb die Verpflichtung besteht „Vorrang“ zu geben.
Kollision im Kreuzungsbereich
Im Bereich einer Pistenkreuzung sind der Kläger und der Beklagte – beide auf Skiern – frontal zusammengestoßen. Beide Pisten verlaufen zunächst (getrennt) parallel zueinander und dann in einer Links- bzw. Rechtskurve aufeinander zu. In beiden Annäherungsbereichen waren Warnhinweise auf die Pistenkreuzung aufgestellt, die mit den Worten „LANGSAM – SLOW“ ein langsames Fahren fordern. Auf der vom Beklagten benutzten Piste war zusätzlich auch das Schild „STOPP“ (Vorrangzeichen laut StVO) aufgestellt.
Unmittelbar vor der Kollision fuhr der Kläger einen Rechtsbogen, zeitgleich orientierte sich der Beklagte auf seiner Piste nach links. Er sah, dass sich der Kläger auf Kollisionskurs näherte, schätzte dies aber – obwohl er bemerkte, dass der Kläger nicht in Fahrtrichtung blickte – nicht als kritisch ein. Etwa 10 m vor dem Kläger versuchte der Beklagte noch auszuweichen. Der Kläger bemerkte den Beklagten erst 1 bis 2 m vor der Kollision, konnte aber keinerlei Abwehrhandlung mehr setzen.
Der Kläger forderte nun Schadenersatz und behauptete, das Alleinverschulden am Unfall sei vom Beklagten zu vertreten. Dies begründet er damit, dass der Beklagte auf Grund des „STOPP“-Schildes verpflichtet gewesen wäre, vor der Kreuzung anzuhalten.
Verpflichtet ein „STOPP“-Schild zum Anhalten?
Das Gericht hat zunächst festgehalten, dass laut FIS-Regeln jeder Wintersportler verpflichtet ist, sich so zu verhalten, dass er niemanden gefährdet. Eine verbindliche Vorrangregelung auf Skipisten – wie sie der Kläger fordert – wäre allerdings nicht umsetzbar, da sich dabei z. B. das Problem stellt, dass eine Vorrangsituation nicht immer erkennbar ist: Im Straßenverkehr ist die Beschilderung so aufgestellt, dass sie die Verkehrssituation eindeutig klarstellt; auch bewegen sich Fahrzeuge auf vorgegebenen Fahrbahnen. Beides ist beim Skilauf nicht der Fall (ständige Änderung der Fahrtrichtung, Fahrspuren verlaufen „kreuz und quer“). Weiters würde ein Wintersportler, der vor einem „STOPP„-Schild stehenbleibt, die Gefahr von „Auffahrunfällen“ mit nachfolgenden Benützern vergrößern. Solche Vorrangzeichen schaffen daher eher zusätzliche Probleme, als dass sie Kreuzungen entschärfen. Daher musste der Beklagte nach Ansicht der Gerichte vor dem Schild nicht stehenbleiben.
Aufmerksamkeit ist gefordert!
Beide Skifahrer waren bei der Annäherung an die Kreuzung zur Aufmerksamkeit und Beobachtung der anderen Piste verpflichtet. Selbst wenn man annehmen würde, dass das „STOPP“-Schild den Beklagten zu einer erhöhten Aufmerksamkeit verpflichtet hätte, steht fest, dass auch der Kläger unaufmerksam gefahren ist: Er beobachtete den „entgegenkommenden Verkehr“ überhaupt nicht. Der Beklagte wiederum erkannte zwar den Kollisionskurs, reagierte aber nicht ausreichend darauf. Da beide unaufmerksam aufeinander zufuhren, hat das Gericht entschieden, dass sie den Unfall zu gleichen Teilen verschuldet haben.
Diese Entscheidung ist auch aus Sicht der Pistenbetreiber zu begrüßen: Ein zu großer „Schilderwald“ schafft Verwirrung und erhöht die Gefahr von Kollisionen. Wäre das Gericht der Meinung, dass z. B. solche „STOPP“-Schilder verbindlich sind, müssten sie an jeder Pistenkreuzung aufgestellt werden, um die Pistensicherungspflicht zu erfüllen.
Christoph Haidlen
www.seilbahnrecht.at