Der Einsatz von Pistengeräten, insbesondere während der Betriebszeiten der Seilbahn-anlagen und Pisten, gibt immer wieder Anlass zu Diskussionen sowohl innerhalb der Seilbahnunternehmen als auch in der Öffentlichkeit. Nach höchst bedauerlichen Un-fallereignissen mit diesen Geräten kommt es nicht selten zu medialen Überzeichnun-gen, in der Folge von politischer Seite reflexartig zum Ruf nach einem gesetzlichen Einsatzverbot, wie zuletzt z. B. im Bundesland Salzburg. Aus diesem Grund stand bei der Fachgruppentagung der Salzburger Seilbahn- und Liftbetreiber am 18. 9. 2012 in St. Michael im Lungau das Thema „Sicherer Einsatz von Pistengeräten“, rechtlich und praxisnah referiert von Dr. Helmut Lamprecht, Gerichtssachverständiger für alpinen Skilauf, insbesondere Verkehrssicherungspflicht für Skiabfahrten, im Mittelpunkt der Veranstaltung.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mehrfach ausgesprochen, dass Pistengeräte typische Erscheinungen auf einer Skipiste sind und zu jenen Gefahren zählen, mit welchen Pistenbenützer stets zu rechnen und auf welche sie ihre Fahrweise im Rahmen ihrer Eigenverantwortlichkeit einzustellen haben. Pistengeräte seien technische Hilfseinrichtungen, deren Beitrag (auch) zur Sicherheit für den modernen Skibetrieb unverzichtbar ist. Unabhängig vom konkreten Einsatzzweck begründet ein Pistengerät jedoch schon durch seine bloße Anwesenheit im Pistenbetrieb eine spezifische Risikoträchtigkeit in Form eines schwer zu manövrierenden Hindernisses für abfahrende Pistenbenützer. Das Risiko liegt dabei weniger in der eigenen Fortbewegung als in der qualifizierten (statischen) Sperrwirkung, die von diesen Geräten, selbst bei ihrem sofortigen Anhalten, ausgeht.
Unbestritten ist somit, dass Pistengeräte und vor allem schnell bergwärts fahrende Motorschlitten eine erhebliche Gefahrenquelle darstellen (können). Daher hat der OGH immer wieder betont, dass Pistenbenützer durch Einsätze dieser Geräte nicht mehr behindert bzw. gefährdet werden dürfen, als dies das Wesen der Pistenfahrzeuge zwangsläufig mit sich bringt. Daraus leitet sich für die Seilbahnunternehmen bzw. Pistenhalter die sogenannte (Verkehrssicherungs-)Pflicht ab, die durch den Einsatz solcher Fahrzeuge ausgelösten Gefahren für abfahrende Pistenbenützer – soweit dies möglich und zumutbar ist – auszuschalten.
Der OGH hat zwar u. a. den Grundsatz aufgestellt, dass die Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt werden darf, dennoch enthebe dies nicht der Pflicht, „auf die Möglichkeit Bedacht zu nehmen, dass Skifahrer – nicht auf Sicht fahrend – zu Tal rasen“, obwohl die Risikoträchtigkeit der Geräte nahezu ausnahmslos nur für solche Pistenbenützer aktuell wird, die gegen fundamentale Grundsätze der allgemein anerkannten (FIS-)Skiregeln verstoßen. Bei Beachtung dieser Verhaltensregeln wäre im Allgemeinen ja eine Kollision mit Pistenpräparierungsgeräten und Motorschlitten vermeidbar. Schließlich gilt für alle Schneesportler der Grundsatz der Eigenverant-wortlichkeit.
Entsprechend der Judikatur ist grundsätzlich somit das bloße Befahren der Skipiste mit einem Pistengerät – zu welchem Zweck immer – auch während geöffneter Pisten nicht von vornherein sorgfaltswidrig. Bei Gefährdung auch verantwortungsbewusst fahrender Pistenbenützer – etwa Fahrten in nicht/schlecht einsehbaren und/oder schmalen Pistenabschnitten – sind jedoch Sicherheitsvorkehrungen und die Beachtung von Sorgfaltspflichten geboten.
Von den generellen Vorsichtsmaßnahmen im gesicherten Skiraum abgesehen – wie Ankündigung auf den Orientierungs-/Panoramatafeln, Warnschilder vor Ort sowie den optischen und akustischen Warneinrichtungen am Pistengerät – ist nach der Rechtsprechung der Gerichte insbesondere vom Lenker des Pistengerätes die Pflicht zur Einhaltung jeglicher Vorsicht und Aufmerksamkeit bei Fahrweise, Fahrlinie etc. gefordert. Er hat nach Möglichkeit eine Fahrlinie zu wählen, bei der das Pistengerät für einen entgegenkommenden Pistenbenützer stets sichtbar bleibt. Überdies muss er während des Aufenthaltes auf der Piste die optische Warneinrichtung („Drehleuchte“), bei schlechten Sichtverhältnissen zusätzlich die Scheinwerfer verwenden und bei unübersichtlichen Stellen rechtzeitig die akustische Warneinrichtung betätigen.
In letzter Zeit hat der OGH seine Spruchpraxis bezüglich der Haftung beim Einsatz der Pistenpräparierungsgeräte wesentlich verschärft. Er geht – im Gegensatz zur bisherigen Meinung in der Fachliteratur – nun davon aus, dass zusätzlich zu den Sorgfaltspflichten der Gerätelenker während deren Fahrt bereits eine zeitlich vorgelagerte Verkehrssicherungspflicht eintritt. D. h. es ist von der zuständigen Person im Seilbahnunternehmen/beim Pistenhalter (Betriebsleiter, Pistenchef etc.) zu prüfen, ob die gefährliche Fahrt unter den konkreten Umständen überhaupt (unumgänglich) notwendig ist.
Erweist sich ein Einsatz als „unumgänglich“, z. B. wegen Änderung der Schneedecke während des Tages etc., stellen sich all jene Rechtsfragen zur Absicherung der Gefahrenabwehr. Es ist also im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, was diesbezüglich geeignete Maßnahmen wären und konkret zu tun ist, wie beispielsweise Aufstellung deutlich sichtbarer Warntafeln vor Ort. Dabei sollte aber stets der Grundsatz der Aktualität beachtet werden, also nach dem Einsatz die Warntafel unverzüglich wieder entfernt werden.
Bei dieser vorgelagerten Verkehrssicherungspflicht wird dem Seilbahnunternehmen/Pistenhalter zwar ein gewisser Ermessenspielraum eingeräumt, wenn beispielsweise für notwendige Präparierungen oder einen sonst unbedingt erforderlichen Einsatz eine Fahrt notwendig ist. Ihn trifft jedoch die Beweislast, dass eine notwendige Fahrt mit einem Pistengerät vorlag und er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen veranlasst hat!
Besonders kritisch beurteilt der OGH seit kurzem Materialtransporte mit Pistengeräten während geöffneter Skipisten. Er geht davon aus, dass solche jederzeit auch nach Schließung des Pistenbetriebes vorgenommen werden könnten, es sei denn, unumgängliche Notwendigkeit liegt vor.
Nach den zwei jüngsten oberstgerichtlichen Entscheidungen dazu wird künftig zur Durchführung von Materialtransporten (Schneekanone, Lanzen, Torstangen u. ä.) mit Pistengeräten ein besonderer Sorgfaltsmaßstab anzulegen sein. Immerhin kommt es z. B. beim Transport von Schneekanonen auf dem Schild zu einer zumindest partiellen Sichtbeeinträchtigung für Lenker von Pistengeräten. Sofern von einem solchen Transport während des laufenden Pistenbetriebes nicht Abstand genommen werden kann, erfordert die aktuelle Rechtsprechung z. B. die Mitnahme eines Beifahrers, um einen allfälligen sichttoten Bereich überblicken zu können.
Schon bisher gab es von Experten die generelle Empfehlung, Einsätze von Pistengeräten während des Pistenbetriebs nach Möglichkeit überhaupt zu vermeiden und reine Versorgungs- oder „Bequemlichkeitsfahrten“ jedenfalls vor oder nach dem Pistenbetrieb durchzuführen. Künftig werden Fahrten ohne jegliche Notwendigkeit durchaus Haftungen in strafrechtlicher und/oder zivilrechtlicher Hinsicht nach sich ziehen. Insofern richtet sich auch der Appell an die (Eigen-)Verantwortlichkeit der Unternehmen sowie deren Bediensteten.
Was unter den Begriffen „notwendig“, „betriebsnotwendig“ oder „unumgänglich“ zu verstehen ist, lässt sich definitiv nicht festlegen. Sie sind vage, „dehnbar“ und in der Praxis tagtäglich unterschiedlich auslegbar. Demonstrative Beispiele betriebesnotwendiger Fahrten wären u. a.:
- Transporteinsätze für verunfallte Pistenbenützer;
- notwendige Pistenpflege wegen Veränderung der Schneedecke;
- Beseitigung von Gefahrenquellen;
- dringend erforderliche (akute) Reparaturarbeiten und/oder Kontrolltätigkeiten an Seilbahn-, Beschneiungsanlagen, Pistengeräten u. ä. im Skipistenbereich;
- akute Wiederherstellung von Sicherheits-, Warn- und Absperreinrichtungen auf Skipisten;
- etc.
Es kommt – wie so oft in der Rechtsprechung – weitgehend auf den jeweiligen Einzelfall an; auch in der anschließenden Frage, ob und in welchem Umfang Sicherheitsmaßnahmen notwendig sind. Gleiches gilt für die Beurteilung, ob die Grenze der Zumutbarkeit von Verkehrssicherungspflichten erreicht oder überschritten wird.
Dass Einsätze von Pistengeräten zur sogenannten Seilwindenpräparierung grund-sätzlich nur bei geschlossenen oder extra dafür gesperrten Skipisten erfolgen dürfen, ergibt sich schon aus der besonderen Gefährlichkeit dieser Tätigkeit. Sie erfordert zusätzlich bergseitige, seitliche und talseitige Warnungen und Sicherheitsvorkehrungen, nachdem für (nächtliche) Benützer geschlossener Pisten, die widerrechtlich zu Tal fahren, Lebensgefahr besteht.
Abschließend ist noch auf einen wesentlichen Punkt hinzuweisen, speziell im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung: Eine klare, zweifelsfreie Festlegung der Zuständigkeit/Verantwortlichkeit im Seilbahnunternehmen sowohl für den Pistenbereich (Präparierung, Sicherung, Instandhaltung etc.) als auch für den Rettungsdienst (für verunfallte Pistenbenützer und über Art des Rettungsmittels) empfiehlt sich für alle Unternehmensgrößen. Mit internen Regelungen in Form eines Organigramms u. ä. oder mittels Dienstanweisungen werden von vornherein betriebsinterne Kompetenzen geschaffen, fixiert bzw. geklärt und nachträgliche Diskussionen vermieden.
Helmut Lamprecht