Michael Mathis ging vom derzeitigen Stand der Technik bei konventionellen Bergemethoden aus. Das sind:
- Abseilen aus den Fahrzeugen,
- Bergebahn,
- Bergung mittels Hubschrauber.
Diese Methoden haben nicht nur wegen der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit widrigen Wetterverhältnissen große Nachteile, sondern auch bei der Bergung von Müttern mit kleinen Kindern, alten oder gebrechlichen Personen, Personen im Rollstuhl oder auch von Frauen anderer Religionsgemeinschaften, bei denen schon das Berühren der Frau durch fremde Männer selbst in einem Bergefall unstatthaft ist.
Das Ziel des neuen Systems zur Räumung der Bahn ist es sicherzustellen, dass die Fahrgäste durch technische, organisatorische und betriebliche Maßnahmen jederzeit mit ihren Fahrzeugen in die Stationen zurückgeführt werden können.
Dieses in den letzten Jahren entwickelte System, das der Referent als „integrierte Räumung“ bezeichnet, ist bei folgenden Seilbahnsystemen möglich:
- 3S-Umlaufbahnen,
- Pendelbahnen ohne Tragseilbremse,
- alle Einseil-Umlaufbahnsysteme (Kabinen- und Sesselbahnen).
Als Grundlagen für die Entwicklung und behördliche Genehmigung des Systems der integrierten Räumung dienten
- die in den relevanten Seilbahnnormen enthaltenen Bestimmungen zur Räumung und Bergung,
- eine Sicherheitsanalyse, in der das Sicherheitsniveau der integrierten Räumung mit dem einer Bergebahn verglichen wird, bei der das Förder- oder Tragseil als Fahrbahn für das Bergefahrzeug dient,
- eine Störfallanalyse, die ergab, dass bei 190 dokumentierten Bergefällen der Jahre 1988 bis 2008 die vorgesehenen Maßnahmen der integrierten Räumung in keinem Fall zu einer Bergung geführt hätten.
Zusatzmaßnahmen
Um den Nachweis einer mindestens gleichen Sicherheit gegenüber konventionellen Bergesystemen zu erbringen, waren für die integrierte Räumung rund 40 zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Michael Mathis beschränkte sich auf die Vorstellung der wichtigsten und augenfälligsten Maßnahmen:
- Einbau eines zweiten Notantriebes (einschließlich des Nachweises der Treibfähigkeit),
- Notlauflagerungen bei allen Seilscheiben,
- bei Einseilumlaufbahnen Einrichtungen zum Entfernen eines den Stationsumlauf blockierenden Fahrzeuges,
- bei Einseilumlaufbahnen zwingende Ausrüstung mit dem Seillage-Überwachungssystem RPD (Rope Positioning Detection),
- bei 3S-Bahnen und Pendelbahnen Briden (Klemmen) an den Tragseilschuhen der Stützen, um Tragseilentgleisungen zu vermeiden.
- bei 3S-Bahnen und Pendelbahnen Notlaufeigenschaften der Laufwerke auf den Tragseilen im entgleisten Zustand,
- Sicherstellung der ausreichenden Batterieladung für die Notantriebe,
- bei Einseilumlaufbahnen Werkzeuge zum Einheben eines teilentgleisten Förderseiles auf den Stützen, dimensioniert auf den vollbesetzten Seilstrang,
- Sicherstellung der Erreichbarkeit der Stützen durch das Personal (am Boden oder entlang des Seiles),
- betriebliche Maßnahmen (z. B. Absperrungen, Freigängigkeitskontrollen),
- Ersatzteilhaltung für ausgewählte Komponenten.
Zusammenfassung
Abschließend fasste Michael Mathis die augenfälligen Vorteile der integrierten Räumung gegenüber den konventionellen Bergemethoden wie folgt zusammen:
- Die Fahrgäste können in ihren Fahrzeugen bleiben.
- Die Fahrgäste werden in die Stationen zurückgebracht.
- Komplizierte Bergevorgänge sind nicht mehr erforderlich.
- Keine Risiken durch ungewohntes Handling mit Bergevorgängen.
Die Vorteile seien so bedeutend, dass die Kunden von Doppelmayr bei der Bestellung von großen Anlagen wie 3S- und Pendelbahnen Anlagen ohne integrierte Räumung gar nicht mehr nachfragen.
Diskussion
Da das System der integrierten Räumung bei manchen Vertretern der kleineren Seilbahnländer, die auf der ITTAB vertreten waren, noch nicht sehr bekannt war, kam es zu einer ganzen Reihe von Anfragen an den Referenten, die dieser kompetent beantwortete.
Im Zuge der Diskussion wies Prof. Nejez darauf hin, dass aufgrund des Umstandes, dass die integrierte Räumung nur für Pendelbahnen ohne Tragseilbremse vorgesehen sei, der jahrzehntelange Streit „Tragseilbremse, ja oder nein?“ wohl zum endgültigen „Sieg“ des Pendelbahnsystems ohne Tragseilbremse führen werde. Die Frage lag dann auf der Hand, warum beim Pendelbahnsystem mit Tragseilbremse die integrierte Räumung nicht möglich sei. Die Antwort von Michael Mathis hatte einen technischen und einen eher sicherheitstheoretischen Teil. Ein technisches – wahrscheinlich sogar lösbares – Problem liege darin, dass nach einem Einfall der Tragseilbremse das Öffnen zufolge eines Schadens an der Hydraulik möglicherweise nicht gelingt. Der sicherheitstheoretische Teil sei jedoch nicht lösbar: Während beim Pendelbahnsystem ohne Tragseilbremse der Bestand der Zugseilschleife als gewährleistet gelte, werde beim Pendelbahnsystem mit Tragseilbremse davon ausgegangen, dass diese Bremse unter anderem bei Zugseilriss in Funktion tritt. Es seien keine Maßnahmen bekannt, die diese Funktion bei einer integrierten Räumung ersetzen könnten.
Insgesamt waren sich die meisten Teilnehmer an der 66. ITTAB darüber einig, dass die Zukunft der Bergung beim System der integrierten Räumung liege.