So funktioniert es: Die Sitzfläche des Doppelsessels besteht aus zwei Einzelsitzen, die jeweils an der Außenseite nahe der Sitzflächen-Vorderkante konsolenartig am Sesselrahmen drehbar gelagert sind. Die Lagerung ermöglicht eine Drehung aus der normalen Sitzposition um 90° nach hinten-außen. Der Rahmen hat die Form eines umgekehrten Buchstabens „U“; im Bereich der Sessellagerung weisen die Rahmenenden ein wenig schräg nach außen, sodass das Gewicht der Einzelsitze sowohl ohne als mit Fahrgästen die Sitze in der normalen Betriebsposition hält. Beim Aussteigvorgang müssen die Fahrgäste auf den Sesseln ein bisschen nach vorne rutschen, an den markierten Punkten aufstehen und einfach stehen bleiben. Durch den Widerstand der stehenden Fahrgäste werden die nun entlasteten Sitze um 90° nach hinten gedrückt und gleiten an den stehenden Fahrgästen vorbei. Normalerweise werden die Sitze allerdings durch zwei Bedienstete durch einen Griff an die Rückenlehne gedreht, sodass der Sessel weiterfährt, ohne die stehenden Fahrgäste zu berühren. Danach können die Fahrgäste die Aussteigstelle wegen der langen Sesselfolgezeiten (Winter 18 s, Sommer 30 s) ohne Hast verlassen. Den Aussteigvorgang zeigt die nebenstehende Bilderserie (Ausschnitt aus einem Video).
Der Einstieg ist gleich wie bei allen anderen fixen Sesselbahnen. Die Sessel verfügen über Einzel-Abschlussstangen, aber nicht über Fußraster.
Frühes Ende
Dieses System wurde von dem deutschen, nach Amerika ausgewanderten Ingenieur Karl Ringer entwickelt und zwischen den Jahren 1951 und 1953 in Amerika bei sieben Sesselbahnen eingesetzt. In Deutschland wurde es neben der Hörnlebahn auch bei der Hochalpbahn in Pfronten errichtet, die im Jahr 2004 durch eine fixe 4er-Sesselbahn von Leitner ersetzt wurde. Ringer hat die Lizenz auf seinen „Swivel Chair“ dem Schweizer Hersteller Bell verkauft, mit der Hoffnung auf eine Verbreitung seines Systems auch in Europa. Bald hat sich aber gezeigt, dass der echte Grund des Lizenz-Ankaufs war, dieses Produkt aus dem Markt zu nehmen. Nach dem Jahr 1953 wurden keine Sesselbahnen mit Schwenksesseln mehr gebaut.
Gewohnheit ist König über den Verstand
Wenn Fahrgäste die Anweisungen an den Schildern vor dem Ausstieg und die Erklärungen des Stationspersonals verfolgen, ist der Ausstieg ohne Flucht vor dem fahrenden Sessel sehr bequem. Leider tritt bei vielen Fahrgästen der bei allen anderen fixen Sesselbahnen gewonnene Reflex der Flucht vor dem Sessel ein, was bis zur Kollision mit dem seitlich geöffneten Sessel führen kann. So bleibt dem Bedienungspersonal nichts anderes übrig, als jeden Fahrgast auf den ungewöhnlichen Ausstiegsvorgang hinzuweisen und beim Ausstieg behilflich zu sein. Deswegen ist der Betrieb sehr personalintensiv. Das ist offensichtlich auch einer der Gründe, warum es zur Verbreitung des schwenkbaren Sessels nie gekommen ist.
Ideenreicher Betriebsleiter Brda
Im Jahr 1958 wurde durch den damaligen Betriebsleiter der Hörnlebahn, Otto Brda, gemeinsam mit Eduard Schlichting ein bahnspezifisches Rettungs- und Abseilgerät entwickelt. Es war das erste Abseil- und Rettungsgerät nach dem Prinzip der einerseits blockierenden bzw. frei drehenden Rolle. Die Firma Rettungsgeräte Brda in Bad Kohlgrub, später als Rollgliss GmbH in Murnau weitergeführt, produzierte diese Geräte auch für andere Bahnen. Nach dem Ablauf des Patentschutzes von Otto Brda gibt es weitere Rettungs- und Abseilgeräte, die nach diesem oder einem ähnlichen Prinzip arbeiten.
Wandergebiet, Zeitberg und ein kleines Skigebiet
Das Hörnle ist heute ein attraktives Wanderziel und Aussichtsberg mit Nordic Walking Höhentrial im Sommer und mit Skigebiet und Rodelbahn im Winter. Die Hörnlebahn allein konnte in den 1960er Jahren den Andrang der Wintersportler nicht mehr bewältigen. So wurden im Jahr 1967 der Stockhang-Lift (Fabrikat Leitner) und 1973 der Tannenbankler-Lift (Fabrikat Doppelmayr) errichtet. Auf den drei Hörnle-Gipfeln wurden vier Ruhestationen mit Infos über die Natur der Ammergauer Alpen installiert. Dank der Entfernung von einer knappen Fahrstunde von München und Augsburg gehört Hörnle zu den beliebten Ausflugszielen der Einwohner dieser Städte.
Sanierung oder Neubau?
Die Hörnlebahn ist nicht nur die einzige Sesselbahn mit schwenkbaren Sesseln, sie ist auch die älteste erhaltene Sesselbahn Bayerns. Seit einigen Jahren läuft die Diskussion, was mit der alten Sesselbahn passieren sollte. Ein Ingenieurbüro wurde damit beauftragt, einen Masterplan für das Hörnlegebiet zu erstellen. Dieses Konzept sieht eine 10er-Kabinenbahn vor, eine Parkplatzvergrößerung mittels zweigeschossigem Parkdeck sowie eine Erweiterung der bestehenden Gastronomie am Hörnlegipfel. Kostenschätzung: 20 Mio. Euro. Der Gemeinderat ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Entwürfe für das Gebiet zu großzügig dimensioniert sind und um etwa 30 % verringert werden sollen.
Gleichzeitig beauftragte der Gemeinderat über den Bahnbetreiber Schwebebahn GmbH & Co KG – eine Tochter der Gemeinde Bad Kohlgrub – ein Fachbüro für Seilbahn-Sanierungen mit der Überprüfung, ob es eine Chance gibt, die alte Schwebebahn für die Zukunft wieder fit zu machen. Die Bürger von Bad Kohlgrub und Grundstücksinhaber wollen nämlich keine touristische Erweiterung am Hörnle und möchten die einzigartige Bahn behalten, wie sie ist. Diese historische Seilbahn hat Tradition und ihre Infrastruktur ist bereits auf die Belange der Natur und der Bevölkerung vor Ort angepasst.