Recht

Haftungsbefreiung geglückt, Eigenverantwortung bestätigt!

Bekanntlich ist die Haftung eines Seilbahnunternehmens nach dem EKHG sehr streng und entsteht auch ohne Verschulden seiner Mitarbeiter. Nun liegt eine Entscheidung vor, die klarstellt, dass für ein Fehlverhalten des Verletzten nicht gehaftet wird.

von: Dr. Christoph HAIDLEN - Experte für Seilbahnrecht und Partner von CHG Rechtsanwälte

Sachverhalt 

Eine Skifahrerin kam beim Zugang zu einer Sesselbahn zu Sturz und verletzte sich dabei. Der Zugang zum Einstiegsbereich erfolgt über eine Schrankenanlage, die aus nebeneinander liegenden, sich automatisch öffnenden und schließenden „Intervallschranken“ besteht. Die Anlage ist so eingestellt, dass sich die Schranken in 0,7 s öffnen und anschließend 2,0 s offen stehen. Der Vorgang des Öffnens und Schließens ist von der Bahnsteuerung unabhängig. Er setzt sich auch fort, wenn die Bahn durch Betätigung der Not-Aus-Taste angehalten wird. Im Bereich der Schranken­anlage ist eine Hinweistafel mit der Aufforderung angebracht: „Nach dem Öffnen der Schranken bis zum Einstieg vorgehen“. 

Die Klägerin stellte sich beim Schranken an und blieb dort stehen. Vor ihr hatte u.  a. ein Bub den Schranken passiert und auf einem Sessel Platz genommen. Plötzlich verlor der Bub seinen Skistock und wollte vom Sessel herabspringen. Der Liftbedienstete hatte diesen Vorfall beobachtet und schrie in Richtung des Buben: „Halt, sitzen bleiben!“. Außerdem stellte er die Geschwindigkeit der Sesselbahn zunächst auf eine niedrigere Stufe, ehe er die Bahn durch Betätigung der Not-Aus-Taste überhaupt anhielt. 

Zugleich öffnete sich der Schranken vor der Klägerin, die sich in Richtung des Einstiegsbereichs abstoßen wollte und schon ca. 0,5 m nach vor gefahren war. Als sie den Schrei des Stationsbediensteten hörte – wobei sie aber lediglich das Wort „Halt“ wahrnahm – blieb sie im ­Bereich des geöffneten Zugangsschrankens stehen. Als sich der Schranken wieder schloss, warf er die Klägerin seitlich um, wodurch sie stürzte und verletzt wurde. 

Behauptungen

Die Klägerin begehrte vom Seilbahnunternehmen den Ersatz ihres Schadens. Dies mit der Begründung, das Seilbahnunternehmen würde aufgrund des Beförderungsvertrags und den Bestimmungen des EKHG haften. Das Seilbahnunternehmen lehnte eine Haftung ab, da der Seilbahnbedienstete richtig und aufmerksam gehandelt und die zu fordernde Sorgfalt eingehalten habe. 

Entscheidung

Die Klage wurde von den Gerichten in allen drei Instanzen abgewiesen. Unstrittig ist, dass auf diesen Unfall „beim Betrieb“ der Seilbahn die strengen Haftungsbestimmungen des EKHG anzuwenden sind, wonach eine Haftung bereits ohne Verschulden des Seilbahnunternehmens eintritt. Eine Befreiung von dieser Haftung ist nur dann möglich, wenn bewiesen werden kann, dass der Unfall für sie „unabwendbar“ war. 

In diesem Fall hat die Klägerin der Einstiegssituation zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und hat sie daher unrichtig auf einen gar nicht an sie gerichteten Ruf reagiert. Deshalb ist sie – entgegen der eindeutigen Anweisung, nach dem Öffnen des Schrankens sofort zur Einstiegsstelle vorzugehen – im Gefahrenbereich des automatischen Schrankens stehen geblieben.

Der entscheidende Grund für dieses längere Verbleiben im Gefahrenbereich lag nicht im Warnruf des Bediensteten („Halt, sitzen bleiben!“), sondern in dessen Missverstehen durch die Klägerin; sie hörte nur das Wort „Halt“ und bezog diese Aufforderung zu Unrecht auf sich. Diese Tatsache ist der Klägerin vorzuwerfen.

Ergebnis der  Entscheidung

Mit dieser Entscheidung wird klar und deutlich die Eigenverantwortung der Wintersportler (auch) bei der Benutzung von Seilbahnanlagen festgehalten: Hier müssen sie sehr aufmerksam sein. Im vorliegenden Fall war die Klägerin dies nicht, da sie den Einstiegsbereich und die ­Situation vor ihr nicht beobachtet hatte. Dass sie deshalb nicht bemerkt hatte, dass der Ruf des aufmerksamen Stationsbediensteten nicht für sie bestimmt war, ist nur ihr vorzuwerfen.

Die Gerichte haben daher festgestellt, dass der Unfall für die Seilbahn „unabwendbar“ war.

Christoph Haidlen

Experte für Seilbahnrecht und Partner von CHG Rechtsanwälte
Dr. Christoph HAIDLEN
Experte für Seilbahnrecht und Partner von CHG Rechtsanwälte

Foto: Sunkid

„Alles unter einem Dach“ – moderner Zauberteppich und familienfreundlicher Gehweg in Haute-Nandez in der Schweiz.

Weiterlesen
Foto: Nikolaus Faistauer Photography

Die drei Regionen des Alpin Card Ticketverbunds ziehen nach den ersten Monaten mit Smartphone Ticket im Echtbetrieb Bilanz: Die BLE-Technologie von…

Weiterlesen
Foto: Seilbahnen Schweiz

Aufgrund der späten Ostern fallen die Sportferien in der Schweiz in diesem Jahr in vielen Regionen in den März. Trotzdem gab es im Februar einen…

Weiterlesen
Foto: Kässbohrer

Der "AutroTracer" für den Pistenbully ist ein selbständig mitlenkendes Assistenzsystem, das Spurstabilität und Manövrierbarkeit der Maschine unter…

Weiterlesen

Die Jury des Swiss Mountain Award hat wegweisende Projekte der Unternehmen Remontées Mécaniques Grimentz-Zinal SA, Mantis Ropeway Technologies AG und…

Weiterlesen
Foto: Leitner

Ein Mix aus Komfort- und Effizienzsteigerung bildet die Basis für die Aktivitäten des italienischen Seilbahnherstellers Leitner in Frankreich,…

Weiterlesen
Rendering: Garaventa AG

Garaventa begleitete die Säntis-Schwebebahn AG von der Projektentwicklung bis zur Baubewilligung. Ende 2026 sollen die ersten Gäste mit der neuen…

Weiterlesen
Foto: Jakob Zeller

Bei der FIS Alpinen Ski-Weltmeisterschaften Saalbach 2025 sorgte Kässbohrer als „Official Supplier“ mit acht Pistenbully für eine professionelle…

Weiterlesen
Foto: Pixabay

Anlässlich der internationalen Fachmesse Interalpin in Innsbruck veranstaltet die OITAF am Vormittag des 7. Mai 2025 im Kongresszentrum erneut ein…

Weiterlesen
Foto: Kellenberger Photographie/ETH-RAT

Im ISR-Interview erklärt Prof. Dr. Jürg Schweizer vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF welche Auswirkungen der Klimawandel auf die…

Weiterlesen
Foto: shutterstock

Die von Kids & Fun Consulting durchgeführte Studie „Die Welt der Mütter: Familienalltag als Schlüssel zu Konsum- und Reiseentscheidungen“ bietet…

Weiterlesen
Foto:

Nach mehreren kleineren Modernisierungen erhält die Standseilbahn Monte Brè in Lugano (CH) nun eine größere mit dem Ersatz der Fahrzeuge der zweiten…

Weiterlesen
Foto: TVB Paznaun – Ischgl

Ein außergewöhnliches Projekt auf 2.624 Metern Höhe: In Zusammenarbeit mit der Lego GmbH haben die Silvrettaseilbahn AG und der Tourismusverband…

Weiterlesen
Foto: Thomas Kovacsics

Ab der Wintersaison 2025/26 erweitern die „Senderbahn Hauser Kaibling“ von Leitner und „Mitterhausalm I“ der Doppelmayr-Gruppe auf der Planai das…

Weiterlesen
Foto: 3Con

Für optimale Loipenbedingungen beim Biathlon-Weltcup setzte der Veranstalter auf das temperaturunabhängige All-Wetter-Beschneiungssystem "Snow4Ever…

Weiterlesen