Sachverhalt
Eine Skifahrerin kam beim Zugang zu einer Sesselbahn zu Sturz und verletzte sich dabei. Der Zugang zum Einstiegsbereich erfolgt über eine Schrankenanlage, die aus nebeneinander liegenden, sich automatisch öffnenden und schließenden „Intervallschranken“ besteht. Die Anlage ist so eingestellt, dass sich die Schranken in 0,7 s öffnen und anschließend 2,0 s offen stehen. Der Vorgang des Öffnens und Schließens ist von der Bahnsteuerung unabhängig. Er setzt sich auch fort, wenn die Bahn durch Betätigung der Not-Aus-Taste angehalten wird. Im Bereich der Schrankenanlage ist eine Hinweistafel mit der Aufforderung angebracht: „Nach dem Öffnen der Schranken bis zum Einstieg vorgehen“.
Die Klägerin stellte sich beim Schranken an und blieb dort stehen. Vor ihr hatte u. a. ein Bub den Schranken passiert und auf einem Sessel Platz genommen. Plötzlich verlor der Bub seinen Skistock und wollte vom Sessel herabspringen. Der Liftbedienstete hatte diesen Vorfall beobachtet und schrie in Richtung des Buben: „Halt, sitzen bleiben!“. Außerdem stellte er die Geschwindigkeit der Sesselbahn zunächst auf eine niedrigere Stufe, ehe er die Bahn durch Betätigung der Not-Aus-Taste überhaupt anhielt.
Zugleich öffnete sich der Schranken vor der Klägerin, die sich in Richtung des Einstiegsbereichs abstoßen wollte und schon ca. 0,5 m nach vor gefahren war. Als sie den Schrei des Stationsbediensteten hörte – wobei sie aber lediglich das Wort „Halt“ wahrnahm – blieb sie im Bereich des geöffneten Zugangsschrankens stehen. Als sich der Schranken wieder schloss, warf er die Klägerin seitlich um, wodurch sie stürzte und verletzt wurde.
Behauptungen
Die Klägerin begehrte vom Seilbahnunternehmen den Ersatz ihres Schadens. Dies mit der Begründung, das Seilbahnunternehmen würde aufgrund des Beförderungsvertrags und den Bestimmungen des EKHG haften. Das Seilbahnunternehmen lehnte eine Haftung ab, da der Seilbahnbedienstete richtig und aufmerksam gehandelt und die zu fordernde Sorgfalt eingehalten habe.
Entscheidung
Die Klage wurde von den Gerichten in allen drei Instanzen abgewiesen. Unstrittig ist, dass auf diesen Unfall „beim Betrieb“ der Seilbahn die strengen Haftungsbestimmungen des EKHG anzuwenden sind, wonach eine Haftung bereits ohne Verschulden des Seilbahnunternehmens eintritt. Eine Befreiung von dieser Haftung ist nur dann möglich, wenn bewiesen werden kann, dass der Unfall für sie „unabwendbar“ war.
In diesem Fall hat die Klägerin der Einstiegssituation zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und hat sie daher unrichtig auf einen gar nicht an sie gerichteten Ruf reagiert. Deshalb ist sie – entgegen der eindeutigen Anweisung, nach dem Öffnen des Schrankens sofort zur Einstiegsstelle vorzugehen – im Gefahrenbereich des automatischen Schrankens stehen geblieben.
Der entscheidende Grund für dieses längere Verbleiben im Gefahrenbereich lag nicht im Warnruf des Bediensteten („Halt, sitzen bleiben!“), sondern in dessen Missverstehen durch die Klägerin; sie hörte nur das Wort „Halt“ und bezog diese Aufforderung zu Unrecht auf sich. Diese Tatsache ist der Klägerin vorzuwerfen.
Ergebnis der Entscheidung
Mit dieser Entscheidung wird klar und deutlich die Eigenverantwortung der Wintersportler (auch) bei der Benutzung von Seilbahnanlagen festgehalten: Hier müssen sie sehr aufmerksam sein. Im vorliegenden Fall war die Klägerin dies nicht, da sie den Einstiegsbereich und die Situation vor ihr nicht beobachtet hatte. Dass sie deshalb nicht bemerkt hatte, dass der Ruf des aufmerksamen Stationsbediensteten nicht für sie bestimmt war, ist nur ihr vorzuwerfen.
Die Gerichte haben daher festgestellt, dass der Unfall für die Seilbahn „unabwendbar“ war.
Christoph Haidlen