Inhalt dieses Verfahrens war wieder ein Unfall bei der Präparierung der Pisten mit Hilfe einer Seilwinde.
Zuletzt hatte ich vor knapp einem Jahr über einen ähnlichen Fall berichtet, in welchem das Gericht die Eigenverantwortung des Wintersportlers betont hatte (ISR 6/2012). Im Anschluss daran liegt nun ein weiteres Urteil des Obersten Gerichtshofes vor, in dem diese Linie fortgesetzt wird.
Windenseil in der Falllinie
Die klagende Snowboarderin ist nach Ende der Betriebszeiten mit einem längs der Piste (in der Falllinie) gespannten Seil einer Windenmaschine kollidiert. Sie klagte den Betreiber des Skigebietes mit dem Argument, dass dieser seiner Warnpflicht nicht nachgekommen sei. Ihrer Ansicht nach wären die am Rand einer ca. 30 m breiten Piste aufgestellten Hinweistafeln – mit denen auf die Pistenpräparierung aufmerksam gemacht wurde – nicht gut erkennbar gewesen, da die Wintersportler – wegen der Breite der Pisten – daran nicht direkt vorbeifahren mussten. Außerdem seien die gelben Drehleuchten nicht sehr auffällig gewesen, da zum Unfallszeitpunkt noch Tageslicht und Sonnenschein herrschten.
Auf Grund der Carvingtechnik sei ein in der Falllinie verlaufendes Stahlseil ebenso gefährlich, wie ein quer über die Piste gespanntes Seil, da Wintersportler die Kurven sehr schnell fahren und somit die Wahrscheinlichkeit, schräg oder horizontal gegen ein so verlaufendes Seil eines Pistengeräts zu prallen, ebenso groß sei. Auch sei das Pistengerät weit vom Ankerpunkt entfernt gewesen, sodass es nicht mehr sichtbar gewesen sei.
Alle drei Instanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ließ die Revison an den Obersten Gerichtshof zu, da es in letzter Zeit zu einer Häufung vergleichbarer Verfahren gekommen ist, und da es somit eine einheitliche oberstgerichtliche Rechtsprechung für notwendig erachtete: Der Oberste Gerichtshof bestätigte zunächst den Grundsatz, dass ein über die Piste gespanntes Stahlseil bei der Windenpräparierung auch nach Betriebsschluss der Seilbahnanlagen eine atypische Gefahr für Wintersportler darstellt, die vom Betreiber des Skigebietes entsprechend abzusichern ist.
Eigenverantwortung ist gefordert
Allerdings führt das Höchstgericht auch sehr deutlich aus, dass ein Sportler, der erst nach Pistenschluss abfährt, zu besonderer Vorsicht verpflichtet ist: Er muss nämlich – so das Gericht – nicht nur damit rechnen, dass zu diesem Zeitpunkt keine Absicherung von natürlichen Hindernissen (z. B. auf Grund des Pistenzustandes) mehr veranlasst werden, sondern er muss auch damit rechnen, dass dann Arbeiten auf der Piste erfolgen, die nur zu dieser Zeit überhaupt oder ausreichend intensiv ausgeführt werden können.
Bei der Klärung der Frage, welche Gefahren auch außerhalb der Betriebszeit „atypisch“ und somit seitens des Pistenbetreibers zu vermeiden sind, ist vor allem zwischen natürlichen und künstlichen Gefahrenquellen zu unterscheiden: Natürliche Gefahrenstellen sind nach Pistenschluss im Allgemeinen nicht beziehungsweise nur in Ausnahmefällen abzusichern, künstliche Gefahrenstellen dann, wenn ihre Gefährlichkeit über das bei derartigen Erhaltungsarbeiten „übliche Maß“ hinausgeht. Für die Klärung der Verantwortung des Pistenbetreibers ist es daher entscheidend, ob die getroffenen Absicherungsmaßnahmen bei der Seilwindenpräparierung ausreichend waren: Konkret kommt es darauf an, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind.
Ausreichende Warnhinweise
Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass sich auf einer großen Tafel an der Talstation des Lifts Hinweise auf die Verletzungsgefahr durch Pistenarbeiten nach Betriebsschluss fanden, dass direkt unterhalb der von der Klägerin besuchten Ski-Hütte eine gelbe Tafel samt Fahrverbotszeichen mit dem Wort „gesperrt“ und einem bildlichen und textlichen Hinweis auf die Seilwindenpräparierung aufgestellt war, und dass im Einmündungsbereich der ca. 30 m breiten Piste eine 120 x 120 cm große Warntafel mit dem Hinweis „Achtung Pistensperre! Lebensgefahr! Pistengerät mit Seilwinde im Einsatz!“ samt eingeschalteter Warnleuchte angebracht war, die von der Hütte aus einer Entfernung von 100 m gut erkennbar war.
Auf dieser Grundlage sind alle drei Instanzen übereinstimmend zu dem Schluss gelangt, dass die Absicherungsmaßnahmen des Pistenbetreibers ausreichend waren, um Wintersportler vor den Gefahren durch die Windenpräparierung zu warnen. Ein durchschnittlicher Pistenbenützer muss und kann auf die mehrfachen Hinweise durch Warntafeln (teils in übergroßer Dimensionierung samt Drehleuchte) entsprechend reagieren und hat den Verhältnissen angepasst abzufahren.
Dies hat die Klägerin unterlassen, daher hat sie die Folgen des Unfalls selbst zu vertreten.
Christoph Haidlen, www.seilbahnrecht.at