Die Erschließung der Bergwelt unterhalb des Rosengarten- und Latemar-Bergmassivs fing schon im Jahr 1951 mit dem Bau des ersten Einsesselliftes vom Karersee (Carezza) zur Paolina-Hütte an. Zur Kölner Hütte direkt unterhalb der steil aufragenden Felsen des Rosengartens wurde im Jahr 1969 ein Korblift gebaut, der im Jahr 1998 durch eine Doppelsesselbahn ersetzt wurde. Erst mit dem Eintritt des Technoalpin-Mitbegründers Georg Eisath im Jahr 2008 begann in den traditionellen Familienskigebieten eine neue Ära.
Kabinenbahn König Laurin mit „unsichtbarer“ Bergstation
50 Jahre nach dem ersten Korblift hat die Latemar Karersee GmbH mit dem Bau der 10er-Kabinenbahn König Laurin I und II ein neues Highlight realisiert. Diese 1.807 m lange 10er- Kabinenbahn der D-Line-Generation von Doppelmayr mit Mittelstation ersetzte beide Doppelsesselbahnen, die Laurin II zur Kölner Hütte und die Laurin III. Die neue Bahn in zwei Teilstrecken wird entweder getrennt betrieben oder die Kabinen fahren in der Mittelstation durch, wo auch die Direktantriebe für beide Teilstrecken angeordnet sind. Die Kabinen werden hier in einem in den Hang gebauten Abstellbahnhof garagiert. Die Bahn kann bis 2.400 Personen pro Stunde bequem und wettersicher zur Köllner Hütte auf 2.337 m bringen.
Die neue Bahn entspricht allen heutigen Ansprüchen an Komfort, Förderleistung und Effizienz, hat aber noch etwas Einzigartiges dazu – die unterirdisch angelegte und somit „unsichtbare“, im Berg versteckte Bergstation. Nur die Ein- und Ausfahrtshöhlen, durch welche die Kabinen in die Station ein- und ausfahren, sowie der Zugangstunnel für Wanderer und Skifahrer sind am Hang zu sehen. Von hier aus können die Skifahrer direkt auf die Skipiste ausfahren und die Touristen in den Wanderweg entlang des Rosengarten-Massivs einsteigen. Über eine Rolltreppe geht es vom Bahnsteig ein Stockwerk höher zur Laurin Lounge. Vor der Lounge wurde eine Terrasse angelegt, in die auch die Stationsfläche der ehemaligen Sesselbahn integriert wurde. Die ganze Bergstation erinnert an den unterirdischen Palast aus funkelndem Gestein nach der berühmten Sage über König Laurin. Dazu trägt auch die Beleuchtung der Wände im Stationsumlauf und neben der Rolltreppe mit LED-Lichtern mit variablen Farben bei.
Es ist das erste Bahnprojekt des renommierten Südtiroler Architekten Werner Tscholl, Italiens Architekt des Jahres 2016, der für die Gestaltung der „unsichtbaren“ Bergstation verantwortlich zeichnet. „Der für die neue Bergstation vorgesehene Bauplatz ist aufgrund seiner delikaten und exponierten Lage für ein rein technisches Bauwerk einer Seilbahnstation nicht geeignet. Die Bergstation liegt im unmittelbaren Blickfeld des Rosengartens. Schon die Ansammlung vorhandenen Baustrukturen der ehemaligen Sesselbahnstation, der Laurin Lounge und der Kölner Hütte erscheint dem wunderbaren Panorama nicht zuträglich. Aus diesem Grund hatte eine möglichst wenig sichtbare Einfügung der Bergstation in die Umgebung oberste Priorität“, so Werner Tscholl.
Gleichzeitig mit dem Bau der neuen Kabinenbahn erfolgte auch die Verlängerung der bestehenden 6er-Sesselbahn Tschein um 320 m in Richtung Tal zur Moseralm für eine bessere Vernetzung des Gebietes.
Erste Pendelbahn Italiens mit Panoramaterrasse
Die Idee, den Ort St. Zyprian/Tiers mit der Frommeralm durch eine Seilbahn zu verbinden und somit einen autofreien Zugang zu den Bahnen im Gebiet zu errichten, wurde schon seit 20 Jahren verfolgt. Für die Umsetzung dieses Vorhabens wurde aus mehreren Gründen eine 3,7 km lange Pendelbahn mit 60er-Kabinen gewählt: Durch die Möglichkeit langer Spannfelder brauchte es nur vier Stützen auf der Trasse und dank der hohen Linienführung mussten nur minimale Baumrodungen erfolgen. Die Attraktivität der Seilbahnfahrt über den Baumwipfeln mit freier Sicht auf das Rosengarten-Massiv mit den legendären Vajolet-Türmen ist hoch. Darüber hinaus verfügt die Kabine Nr. 2 über eine Panoramaterrasse, welche über einen eigenen Zugang im Stationsgebäude erreicht werden kann. Diese bietet zehn Personen die Möglichkeit, die Fahrt im Freien zu verbringen und dabei den Blick auf den Rosengarten „mit dem Wind in den Haaren“ zu genießen. „Die italienweit einzigartige Seilbahn mit Panoramaterrasse soll die Weiterentwicklung des Tourismus im Tierser Tal ermöglichen und gleichzeitig den Autoverkehr auf dem Nigerpass reduzieren“, so Martin Damian, Präsident der Tierser Seilbahn AG.
„Die Bahn dient als Einstieg zum UNESCO-Welterbe Rosengarten und stellt eine Verbindung zur neuen Kabinenbahn König Laurin sowie zur Kabinenbahn Welschnofen Laurin 1 her. Neben der direkten Anbindung ins Skigebiet ergibt sich für den Sommerbetrieb die seilbahntechnische Verbindung nach Welschnofen und insbesondere die Anbindung über den Sessellift Tschein zur Moseralm, von wo aus der Karersee mit einem kurzen Fußweg erreichbar ist“, so Florian Eisath, Geschäftsführer von Carezza Dolomites.
Seilbahntechnisch handelt sich um eine Pendelbahn mit Doppeltragseilen und mit einer endlosen Zugseilschleife. Das Zugseil wird mit dem Laufwerk mittels zweier Zugseilklemmen verbunden, die im ersten Jahr nach 200 Betriebsstunden und danach alle 500 Stunden versetzt werden. Das Zugseil kann so auf seiner ganzen Länge magnetinduktiv untersucht werden, und deswegen konnten Laufwerke ohne Fangbremsen verwendet werden. Die Tragseile sind fix verankert, das Zugseil wird in der Bergstation angetrieben und in der Talstation mit 16 t gewichtsgespannt. Die Bahn ist mit dem System der integrierten Räumung ausgestattet (siehe ISR 2/2017, S. 10-11).
Auch bei dieser Bahn hat Architekt Werner Tscholl das Projekt der Tal- und Bergstation erarbeitet. Unter dem Motto „weniger ist mehr – nichts ist noch besser“ hat er wieder eine sanfte Einbettung in die faszinierende Landschaft unter dem Rosengarten entworfen. Die Stationen verschwinden unterirdisch in den Wiesen, sichtbar bleiben nur die Ein- und Ausgänge.
Im Mai 2021 begannen die Bauarbeiten und am 10. Februar 2022 wurde die Bahn eröffnet. Trotz der geringstmöglichen Abmessungen beider Stationen wurden einige Unterschiede im Bauvolumen gegenüber dem ursprünglich genehmigten Projekt festgestellt, und der Bahnbetrieb wurde noch vor Abschluss der Wintersaison 2021/2022 aus diesem Grund behördlich eingestellt. Unwesentliche Unterschiede zwischen der Projektdokumentation von Gebäuden und ihrer tatsächlichen Ausführung sind üblich und werden normalerweise in der Dokumentation der tatsächlichen Bauausführung nachgeholt, hier haben sie jedoch zum Betriebsstillstand der Bahn auch im Sommer 2022 geführt. Erst nach Reduktion auf die bewilligte Kubatur durch Verschüttung und Abmauerung einiger Räume darf die Bahn seit Winter 2022/23 wieder fahren.
Roman Gric