Schulkinder zum Schneesport zu bringen stellt nicht zuletzt aus gesundheitspolitischen und pädagogischen Gründen eine der Winter-Herausforderungen der Gegenwart dar. Zwar bezeichnen sich laut einer Studie rund drei Viertel der Jugendlichen in Österreich als Skifahrer, darunter ca. 750.000 als besonders aktive – ein Wert, der kaum zu steigern sein dürfte.
Der Rekordwert des Winters 1979/1980 mit 250.000 Schülern auf Ski-Wochen lässt sich in Österreich wohl nur mehr schwer erreichen. Zuletzt pendelte sich die Zahl bei rund 150.000 Schülern ein. Immerhin weit über 90 % der Schüler wünschen sich, das Skifahren zu erlernen. Leider gibt es aber mehrere Problemfelder:
Zum Beispiel bedarf es für das Zustandekommen einer Klassen-Ski-Woche der Zustimmung von 70 % der Schüler. Vor allem die Eltern von Schülern mit Migrationshintergrund, insbesondere in den urbanen Ballungsräumen, tendieren diesbezüglich zu einer Absage. Bei Anteilen von Schülern mit nichtdeutscher Muttersprache in Höhe von 20 % und mehr ist dies ein gewichtiger negativer Einflussfaktor, dem bislang nur schwer Rechnung zu tragen ist.
Hinzu kommen noch finanzielle Aspekte – u. a. gibt es immer weniger preisgünstige Unterkünfte für Schülergruppen – sowie andere Freizeitangebote, vor allem im virtuellen Bereich. Heute haben bereits vier von fünf Kindern Zugang zu Spielkonsolen, Mobiltelefonen mit Internetverbindung etc., welche Skifahren als „überkommen“ und nicht mehr „cool“ erscheinen lassen.
Selbst in den westlichen österreichischen Bundesländern gibt es deshalb mehr und mehr Schwierigkeiten, die heimischen Kinder bzw. Schüler auf die Pisten zu locken, speziell wenn Eltern diesbezüglich nicht mehr ihre Vorbildfunktion ausspielen. Obwohl da und dort – meist auf eigene Faust – begrüßenswerte Einzelaktionen von Schulen, ja sogar Kindergärten erfolgen, kann auch in Tirol längst nicht mehr jedes Kind Skifahren. So beklagte unlängst der Direktor einer Volksschule in Nassereith bei Imst, dass ihm praktisch bereits eine Generation an Schülern, die früher auf Ski-Woche gingen, weggebrochen sei.
Immerhin bestehen aber dazu schon einige Aktivitäten auf den Verbands-, Unternehmens- und Schulebenen, wie z. B. in Österreich die „Servicestelle Wintersportwochen“. Jede dieser Initiativen muss aus Sicht der Seilbahnbranche, die ja in letzter Zeit mit entsprechenden preislichen Anreizen bis hin zur Gratisbeförderung etc. Pate steht, unterstützt werden.
Nachahmenswertes Pilotprojekt
Ein besonders vorzeigewürdiges Pilotprojekt entstand im Winter 2012/2013 in einem Tiroler Bezirk: Über persönliche Initiative des mehrfachen Profiweltmeisters Andre Arnold aus Sölden – seit 2007 u. a. Obmann des Tiroler Skilehrerverbandes im Bezirk Imst und Gründer des Pool SFI (Schneesport Förderung Imst), der sich auch besonders um den Wintersport an Schulen kümmert – wurde die Aktion „für alle Volksschüler des Bezirkes ein Gratis-Skitag“ ins Leben gerufen.
Arnold erarbeitete das organisatorische Konzept, fixierte mit den örtlich Verantwortlichen sieben fixe Termine für die vorgesehenen vier Skigebiete sowie die jeweiligen Abläufe. Beim Bezirksschulrat fand er von Anfang an Begeisterung und Unterstützung für die notwendige Ausschreibung an die Volksschulen. Damit war auch das Plazet als „genehmigte Schulveranstaltung“ kein Problem. Die Sparkasse Imst bot schließlich eine Unfallversicherung für den ganzen Winter an und konnte zusätzlich als Sponsor gewonnen werden – insgesamt ideale Voraussetzungen für einen Projektstart.
Im Weiteren gelang es Arnold, kompetente Partner zu gewinnen und „einzuspannen“:
- Die vier Seilbahnunternehmen in Sölden, Imst, Jerzens und Ötz für Freifahrten der Volksschüler;
- den Sportfachhandel für den Gratis-Verleih von Ausrüstungsgegenständen (Ski, Stöcke, Helm, Schuhe etc.);
- die Skischulen für die Begleitung und den Gratisunterricht durch Skilehrer;
- den Verkehrsverbund Tirol-VVT für die Organisation des Gratis-Bustransportes von und zur jeweiligen Volksschule.
Und es wurde ein Erfolg:
Ohne Verpflichtung durch den Bezirks-Schulrat wurden innerhalb kurzer Zeit 1767 „Pistenflöhe“, das sind rund 70 % der Volksschüler des Bezirkes Imst, angemeldet, davon 58 Snowboarder und 486 Anfänger! Mit anderen Worten: Knapp 30 % der Volksschüler hatten vorher nichts mit dem Schneesport am Hut.
Arnold: „Wir wollten mit dem Ski-Tag erfolgreich sein, und dann muss man alle Weichen so stellen, dass die Lehrer, die Eltern und alle sagen, ich habe keine Ausrede mehr: die Eltern, mein Kind will Skifahren und es kostet mich nichts, und die Lehrer, weil der Skilehrer übernimmt für diesen Tag die Verantwortung und bietet professionelle Anleitung“.
Und: „Es kann nicht sein, dass einmal Niederländer, Deutsche etc. uns sagen, wo es im Schneesport lang geht. Einheimische müssen später in ihren Berufen als Kellner, Barkeeper etc. aus eigener Erfahrung über das Skifahren mitreden können“.
Auf Grund des großen Erfolges soll dieses Projekt nun jährlich im Bezirk organisiert werden. Als weiteres Ziel ist geplant, die Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Skischulen und Skiclubs während des Winters zu intensivieren und mehr ausgebildete Lehrer für den Schneeport zu gewinnen. Ein Beispiel, das in jeder Hinsicht Beifall verdient!
Gäbe es in den Winterportländern mehrere solch initiative Vorbilder wie Andre Arnold sowie aufgeschlossene Partner bei der Seilbahnbranche, den Skischulen, dem Sporthandel und vor allem bei den Schulbehörden, dann bräuchte uns um den Schneesport-Nachwuchs von klein auf nicht bange sein!
Helmut Lamprecht