ISR: Herr Wiegand, vor über 35 Jahren haben Sie die erste Sommerrodelbahn gebaut. Welche Bedeutung hat dieses Produkt in Ihrem Angebotsportfolio?
Josef Wiegand: Im Jahr 1975 haben wir für unser Skigebiet auf der Wasserkuppe die erste Sommerrodelbahn gebaut, oder sagen wir lieber gebastelt, da wir damals über keinerlei Produktionseinrichtungen verfügten. Möglich wurde das Ganze durch die erstmalige Sommernutzung eines Skischleppliftes. Trotz aller Startschwierigkeiten gab es dann auch Interessenten für unsere Edelstahl-Bahn, sodass wir eine Fertigungsmöglichkeit errichten konnten und natürlich die Produktqualität immer weiter verbessert haben. Über 20 Jahre lang war die Muldenbahn unser erstes Standbein. Nach und nach haben wir Kinder- und Wasserrutschen von der Sommerrodelbahn abgeleitet und inzwischen zu ordentlichen Betriebszweigen entwickelt. Immerhin sind wir in Deutschland auch Marktführer für Wasserrutschbahnen. Unser Zugpferd ist aber zurzeit sicherlich der Alpine-Coaster, die Sommerrodelbahn auf Schienen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden 24 Alpine-Coaster-Anlagen weltweit montiert.
ISR: Welches Produkt kann sowohl im Winter als auch im Sommer betrieben werden?
Josef Wiegand: Grundsätzlich kann unser gesamtes Produktportfolio ganzjährig betrieben werden. So ist beispielsweise die Muldenbahn mit einer zusätzlichen elektrischen Heizung auch im Winter einsetzbar. Inzwischen werden jedoch für den Winterbetrieb ausschließlich unsere Alpine-Coaster gebaut, die von Haus aus Ganzjahres-Anlagen für jede Wetterverhältnisse sind. Natürlich gibt es auch Kunden, die zur Muldenbahn noch einen Alpine-Coaster gebaut haben, damit beide Systeme gegeneinander konkurrieren können. Erstaunlicherweise hält die Muldenbahn sehr gut mit, und das Verhältnis liegt bei ca. 50 zu 50 für die beiden Systeme. Auch bezüglich der Sicherheit gibt es keine nennenswerten Unterschiede.
ISR: In welche Richtung entwickeln sich die Wünsche Ihrer Kunden für Attraktionen am Berg?
Josef Wiegand: Wie bei allen Sportarten werden auch die Ansprüche der Investoren an die Sommerrodelbahn immer höher. So haben gerade in den letzten Jahren unsere Ingenieure tolle Bahnen in extrem schwierigem Gelände hingezaubert. Abenteuerliche Kreisel wechseln sich mit Brücken und Steilpassagen und verwegenen Kurven ab. Die Investoren sind immer öfter auf der Suche nach Superlativen: die meisten Kreisel, die längste Bahn usw. Die Kunden honorieren den Fahrspaß, all diese Bahnen laufen sehr rentabel und keiner der Investoren hat seinen Entschluss bereut. Neben einer aufregenden Streckenführung ist selbstverständlich die Sicherheit ein wichtiges Kriterium. Unsere Sommerrodelbahnen zählen zu den sichersten Sportanlagen überhaupt. Im Vergleich zu den Seilbahnen mit Wintersport schneiden wir besonders gut ab. Während bei der Beförderung bergwärts bei unserem Liftersystem praktisch überhaupt keine Unfälle passieren, trennen uns im Abfahrtsbereich Welten vom Skisport. So gibt es viele Wiegand-Sommerrodelbahnen, die bei Beförderungszahlen bis zu 400.000 pro Jahr entweder keine oder höchstens eine Spitaleinlieferung zu verzeichnen haben. Wichtig ist, dass man den Bergauftransport mit den Liften und die eigenverantwortliche Abfahrt des Sportlers miteinander vergleicht. Der neueste Schritt zu Verbesserung der Sicherheit konnten wir mit der Entwicklung einer Verriegelung des Gurtschlosses außerhalb des Bahnhofs vollführen, um zu verhindern, dass sich Rodelsportler im Überschwang der Gefühle losschnallen.
ISR: Wie lange dauert es von der Erstellung des Konzeptes bis zur Realisierung einer Anlage, inklusive aller Genehmigungsverfahren?
Josef Wiegand: Liegen uns die genauen Kundenwünsche und entsprechende Kartenausschnitte vor, erstellen wir zeitnah einen ersten Entwurf, der vom Kunden im Rahmen einer Bauvoranfrage vorgelegt werden kann. Sobald die Genehmigungen erteilt und der Kaufvertrag unterzeichnet ist, geht es flott voran. Nach einer Lieferzeit von ca. sechs Wochen kann die Montage beginnen und dann – je nach Länge der Bahn – ist die obligatorische TÜV-Abnahme nach sechs bis zehn Wochen bei normalen Bahnen angesagt.
ISR: Welches Potential sehen Sie in den Ländern Österreich, Deutschland, Italien, Schweiz und Frankreich für attraktive Angebote am Berg?
Josef Wiegand: Aufgrund der positiven Entwicklungen und auch der rentablen Investitionen sehen wir auch noch in unseren Stammländern wie Österreich, Italien, Schweiz und Frankreich weiteres Potential für unsere Sommerrodelbahnen. Selbst in Deutschland, wo es bereits über 100 Wiegand-Sommerrodelbahnen gibt, sind immer noch weiße Flecken auf der Landkarte zu finden, die eines Tages ausgefüllt werden. Gerade in den Skigebieten ist ein deutlicher Trend im Ausbau des Sommerbetriebs zu erkennen, was sich bei uns neben der steigenden Nachfrage nach Alpine-Coastern auch durch ansteigendes Interesse an unseren weiteren Produkten, wie beispielsweise den Kinderrutschen in Form von riesigen Bergrutschen oder Rutschenparadiesen abzeichnet.
Das Interview führte Josef Schramm